Home Again

Bisher hatte ich mich nie nach dem gesehnt, was landläufig Heimat genannt wird. (…) keiner dieser Orte trieb mir die Tränen der Sehnsucht in die Augen. Doch jetzt verlangte ich nach Heimaterde, wollte in ihr wühlen, bis die tiefe Einsamkeit verschwand, die unterhalb meiner Kehle darauf wartete, schluchzend über mir hereinzubrechen.
Prinzessin auf der Insel

 

Ähnlich wie Sibel habe ich mich bisher nie als einen Menschen betrachtet, der sich an Orte gebunden fühlt. So lange mein Mann und meine Tochter bei mir sind, bin ich zufrieden. Die Dinge verändern sich und ich mich mit ihnen. Die Trennung meiner Eltern liegt über zwanzig Jahre zurück und mein sogenanntes Elternhaus hat sich seitdem so gewandelt, dass bloß noch die Fassade an die alten Zeiten erinnert. Das ist in Ordnung so.

Heimat – das Wort brachte bisher wenig in mir zum Klingen.

Vor vierzehn Tagen las ich in der Mediothek in Lübbecke aus meinem Roman „Prinzessin auf der Insel”. Ich stamme gebürtig aus Lübbecke, bin jedoch mit neunzehn Jahren dort weggezogen. Es war meine erste Lesung und ich noch dazu krank, so dass ich nicht viel erwartete. Ehrlich gesagt wollte ich die Sache so professionell wie möglich erledigen und mich dann wieder ins Bett legen.
Doch dann traf ich Menschen, die ich als Kind und Jugendliche gekannt hatte. Freunde meiner Eltern, Nachbarn, ferne Verwandte und sie alle waren gekommen, um mich lesen zu hören. Plötzlich konnte ich Teile von mir spüren, die bisher in vergessenen Tiefen gelagert hatten. Ich unterhielt mich und war – ich. Eine ganze bzw. noch „ganzere” ich oder besser: ein ergänztes Ich.
Heimat wird mir seitdem immer das Gespräch mit anderen Menschen sein, die Begegnung, die gemeinsame Geschichte. Lübbecke, der Ort, an den es die Familie meines Großvaters nach ihrer Flucht aus Ostpreußen verschlagen hat. Der Ort, an dem meine Großmutter ihre von einem gewalttätigen Vater überschattete Kindheit überlebte. Der Ort, an dem die beiden sich ineinander verliebten, eine Familie gründeten, ein Haus bauten. Der Ort an sich ist bedeutungslos. Und ob mein Opa seit zehn Jahren tot, das Haus verkauft, der Krieg lange vorbei ist, das ist Veränderung, das ist der Fluss des Lebens.

Heimat ist vielleicht der eine, unveränderliche Teil. Das ganze Ich.

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2 Kommentare zu „Home Again

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